"Jeder Stadtteil Ludwigshafens hat eine eigene Identität, einen Kern, den wir trotz sichtbaren Wandels im positiven Sinne erhalten möchten. Wir möchten die Menschen mitnehmen und ihnen ein lebens- und liebenswertes Zuhause geben."

Dr. Eva Lohse,
OB von Ludwigshafen am Rhein

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Objekt – Ensemble – Quartier:
Heim@rt: Bauen ist eine Kunst!

Die globale Urbanisierung ist in vollem Gang. Die Menschen drängen weltweit in die Städte. Und dort fehlt es an Wohnraum, vor allem an erschwinglichem Wohnraum.

Die fünfte Sommerakademie Architektur greift dieses Thema aus architektonischer und stadtplanerischer Sicht auf und widmet sich der Frage, wie für die Menschen, die neu in einer Stadt ankommen oder innerhalb einer Stadt umziehen, Heimat entsteht.


Heim@rt: Bauen ist eine Kunst!

Die Studierenden mehrerer Hochschulen entwickeln hierzu Ideen für Objekte, Ensembles und Quartiere am Beispiel eines Geländes am westlichen Stadtrand Ludwigshafens in der Nähe des Heinrich Pesch Hauses. Die Ausarbeitungen sollen exemplarischen Charakter haben und auf andere Städte übertragbar sein.

Die Master-Studierenden der Hochschule Mainz widmen sich unter dem Titel "Objekt – Flächenoptimierte Lösungen für den Wohnungsbau" der Ausgestaltung und Kombination von individuellem und kollektivem Wohnraum in Gebäuden.

Vorschläge für Bebauungsstrukturen und die sie verbindenden Räume zu einem wohnlichen Ensemble entwickeln die Bachelor-Studierenden der SRH Hochschule Heidelberg.

Die Master-Studierenden der Hochschule Kaiserslautern untersuchen die Stadt als Konglomerat von Teilen und entwickeln Ideen, diese städtebaulich besser miteinander zu vernetzen.

Die Studierenden des Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule Ludwigshafen wiederum befassen sich themenübergreifend mit Formen der Bindung an Raum und analysieren Integrationsaspekte auf den Ebenen Objekt – Ensemble – Quartier.

Vorgesehen ist, dass die Arbeitsgruppen der verschiedenen Hochschulen in engem Austausch arbeiten und sich so eine interdisziplinäre Herangehensweise an das Thema eröffnet.


Interview:

Eike Becker

Zvonko Turkali, 57, ist deutscher Architekt kroato-ungarischer Abstammung. 1988 gründete er in Frankfurt das Büro Turkali Architekten und lehrt seit 1998 als Professor an der Leibniz Universität Hannover. Als Mitglied von Gestaltungs- und Städtebaubeiräten berät er zahlreiche Städte in Fragen des Städtebaus und der Architektur. Im Vorfeld der Sommerakademie Architektur 2016 beantwortete uns Zvonko Turkali einige Fragen über den Zusammenhang von Bauen und Heimat.

Unsere Veranstaltung trägt in diesem Jahr das Thema Heim@rt: Bauen ist eine Kunst. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Heimat und Bauen?

Zvonko Turkali: Das ist ein aktuelles Thema und ein toller Titel: Aus Bauen und Kunst entsteht ja Baukunst. Ein deutsches Wort, das keine Übersetzung in andere Sprachen kennt. Baukunst ist bekanntlich mehr als Architektur. Oswald Matthias Ungers, der große deutsche Architekt, sagte einmal in einer Vorlesung sinngemäß, dass die Architektur schön, besonders und einzigartig sein kann, zugleich aber auch scheußlich und unausstehlich. Ein Gebäude, das zur Baukunst gezählt wird, kann nur gut sein. Es kann nicht schlecht sein. Wenn es schlecht wäre, würde es nicht zur Baukunst gezählt werden. So gesehen, haben die Initiatoren der diesjährigen Veranstaltung den hohen Anspruch für das Bauen durch den Titel bereits vordefiniert. Heimat und Bauen hängen eng zusammen. Heimat ist immer mit einem Ort verbunden. So auch das Bauen. Anders gesagt: Ohne Ort kein Bauen und keine Heimat. Für die Besonderheiten und die Eigenheiten eines Ortes sind viele Aspekte bestimmend. So spielen die klimatischen Bedingungen eine ebenso wichtige Rolle wie beispielsweise die jeweilige topographische Situation, die kulturellen Hintergründe der Menschen sowie ihre Bedürfnisse, Ansprüche und Interessen.

Ludwigshafen ist eine junge Industriestadt, die bis heute durch Zuwanderung wächst. Was sollten (oder könnten) Stadtplaner und Architekten berücksichtigen, wenn sie heute neue Quartiere planen und bauen?

Zvonko Turkali: Stadtplanung ist eine langfristige Angelegenheit. Und: Entscheidungen in der Stadtplanung sind erst nach vielen Jahren erkennbar. So sind auch die Fehler der Stadtplanung im Nachhinein nicht ohne weiteres zu reparieren. Bei der Architektur ist es etwas einfacher, denn ein Haus, das nicht gelungen oder nicht mehr zu gebrauchen ist, kann durch ein neues Gebäude ersetzt werden.

Unsere europäischen Städte bieten einen großen Fundus, wenn es darum geht, tragfähige Modelle für die städtischen Quartiere von Morgen zu entwickeln: Ortsbezug und Identität, Kompaktheit und kurze Wege, hohe Anziehungskraft des Freiraums und seine Ablesbarkeit, Mischnutzung und hohe bauliche Qualität für das Wohnen sowie Arbeiten, gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr und funktionierende Nahversorgung etc. sind allesamt Aspekte, die den Charakter der europäischen Stadt prägen. An diesen Themen weiter zu arbeiten und den sich verändernden gesellschaftlichen Anforderungen anzupassen, darin liegt die Herausforderung für Stadtplaner und Architekten.

In vielen Städten leben inzwischen Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster Herkunft. Welchen Beitrag können Architektur und Stadtplanung leisten, damit sich alle zuhause fühlen?

Zvonko Turkali: Ob man sich in einer Stadt wohlfühlt, hängt sehr eng mit der Atmosphäre, die in ihr herrscht, und der geistigen Haltung ihrer Bürger und Bürgerinnen zusammen. Stadtplanung und Städtebau, Architektur und Baukunst können hierfür einen wichtigen Beitrag leisten. Abwechslungsreiche Straßen und angenehm proportionierte städtische Plätze, Häuser mit schönen Fassaden und attraktiven Innenräumen, einladende Orte für Menschen unterschiedlicher Couleurs etc., das alles macht die Qualität einer Stadt aus, für ihre alten wie für ihre neuen Bewohner und auch für ihre Gäste. Die Moderne hat sich zur Aufgabe gemacht, eine Qualitätssteigerung in alle Lebensbereiche zu bringen. An diesem Ziel sollten wir weiterhin festhalten. Zugleich ist es ein Fehler der Planer, zu glauben, alles wäre planbar. Die Stadt braucht ihren Freiraum, um Orte entstehen zu lassen, die das Leben spontan mitbringt. Sie ist immer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Auf Ihrer Website steht, Sie seien deutscher Architekt kroatisch-ungarischer Herkunft. Was bedeutet Heimat für Sie?

Zvonko Turkali: Früher habe ich Heimat mit den Grenzen einer Welt gleichgesetzt, die mir meine Sprachen definierten. In einem Elternhaus, in dem drei Sprachen, deutsch, ungarisch und kroatisch, simultan verwendet wurden, war es in meinen Kinderaugen eine große, bunte Welt, die ich wenig überschaute.

Heute sehe ich Heimat etwas stärker eingegrenzt. Sie ist für mich ein besonderes Gefühl, das mich an einem Ort erfasst. Diese Gefühle sind am stärksten an Orten, die mit besonderen Erinnerungen verbunden sind und alle meine zur Verfügung stehenden Sinne gleichzeitig aktivieren.

Es sind Situationen, die eng mit meiner Familie zusammenhängen, mit meinen Freunden und den vielen wunderbaren Menschen, denen ich begegne. Ob ich eine Heimat habe oder mehrere? Ich bin heute viel in der Welt unterwegs und weiß zu sagen, dass Europa meine kulturelle Heimat ist. Ein Europa, das uns derzeit viel Kummer bereitet.

Deutschland ist meine familiäre, sowohl private wie auch berufliche Heimat geworden. Dies erfüllt mich mit Glück und einer großen Dankbarkeit zugleich. Eines muss ich jedoch zugeben: Bei einem Fußballspiel zwischen der deutschen und der kroatischen Nationalmannschaft kann sich dieses Empfinden ändern, kurzfristig und auf 90 Minuten begrenzt!